Im Sommer 2017 wurde bei Rosenbauer eine strategisch wichtige Entscheidung gefällt: aufbauend auf der CFT-Technologie soll die Serienentwicklung dieses Fahrzeugtyps gestartet werden! Das Ziel: die Präsentation auf der Interschutz 2020.

Doch wie sollte die Entwicklung organisiert werden? Mit welchen Methoden soll gearbeitet werden? Wie soll das Team zusammengestellt werden und welche externen Partner können aus dem wissenschaftlich und experimentell orientierten CFT Projekt in die Serienentwicklung mitgenommen werden?

Klar war, dass man sich in dem dynamischen Umfeld der Elektromobilität nicht der rein klassischen Projektmanagementmethoden bedienen kann, sondern dass das Projekt mit agilen Methoden aufgesetzt werden muss. Auch war es von Anfang an unser Ziel, im Sinne des „Open-Innovation“ Ansatzes einige Kunden mit hoher CFT-Affinität dafür zu gewinnen, zu Beginn der Serienentwicklung mit einzusteigen, um den Entwicklungsprozess aktiv mitzugestalten und dann auch die Erprobung im Realeinsatz durchzuführen.

Und uns war auch bewusst, dass für das Erreichen dieses Ziels sichergestellt werden muss, dass sich das Entwicklungsteam voll und ganz und ohne Ablenkungen auf diese Aufgabe konzentrieren kann! Dies hat uns dazu bewegt, ein eigenes, internes Start-Up zu gründen. Am 18. August 2017 wurde die Rosenbauer E-Technology Development GmbH (RED) mit der Hauptaufgabe, die Serienentwicklung umzusetzen und sich dabei als das Kompetenzzentrum für E-Mobilität im Rosenbauerkonzern aufzustellen, gegründet. Wir starteten mit einer kleinen Entwicklungsmannschaft, die meisten Ingenieure wurden intern aus dem CFT Projekt rekrutiert.

 

How to eat an Elephant?

Rosenbauer RT: Rosenbauer RT: Bewertung der Storypoints am 13. September 2020

Bewertung der Storypoints am 13. September 2017

Am Anfang standen viele Fragezeichen – insbesondere was die Organisation des Projektes betraf. Wie schaffen wir es, die Serienumsetzung in nicht einmal 3 Jahren und mit einem kleinen Team umzusetzen, wo doch die großen LKW-Hersteller selbst mit wesentlich größerem Ressourceneinsatz nur kleine Fortschritte beim Ausrollen ihrer E-Mobilitätsstrategien machen?

Wir entschieden uns von Anfang an, die Scrum-Methode anzuwenden. So konnten schon im ersten Kick-Off Workshop alle wesentlichen Aufgabenpakete gesammelt, priorisiert und entsprechend ihrem Aufwand mit Storypoints bewertet werden. Von da an wussten wir, dass wir von Herbst 2017 bis Juni 2020 nahezu 2.500 Storypoints abarbeiten müssen – somit ca. 75 Storypoints je Monatssprint.

 

Der elektrische Antriebsstrang des RT

Der CFT (Concept Fire Truck) war das Maß aller Dinge hinsichtlich Funktionalität, Ergonomie und Fahrdynamik. Dies alles galt es zumindest auf demselben Niveau in die Serienentwicklung mitzunehmen. Einzig die Batteriekapazität von 20 kWh war beim Konzeptfahrzeug noch zu gering, um als einsatztauglich zu gelten. Über Auswertungen von Telematikdaten wussten wir, dass wir zumindest 50 kWh benötigen werden, um die meisten Feuerwehreinsätze elektrisch abwickeln zu können. Sollte jedoch die Topologie in einer Stadt anspruchsvoller oder ein größerer Einsatzradius erforderlich sein, braucht es darüber hinaus noch weitere Speicherkapazitäten.

Fahrwerk und Antriebssystem des RT

Fahrwerk und Antriebssystem des RT

2018 konnten wir mit Volvo Penta den idealen Partner für den elektrischen Antriebsstrang finden. Volvo Penta, als Tochter der Volvo Group und mit der Lieferung der D16 Motoren für PANTHER Flughafenlöschfahrzeuge langjähriger Partner von Rosenbauer, hat Zugriff auf das Know-How des Volvo Konzerns, dessen E-Flotte mittlerweile aus mehr als 4.500 Bussen besteht und die mit dem FL- und FE-Electric einer der Pioniere im elektrischen LKW-Sektor ist. Und genau aus diesem Systembaukasten erhalten wir alle Hochvoltkomponenten wie die Batterien, die E-Maschinen und die Leistungselektronik sowie Steuereinheiten inklusive einem speziell für Rosenbauer entwickeltem Kühlsystem.

 

Energie wenn’s drauf ankommt

Auch die BMW Group verbindet mit Rosenbauer eine langjährige Partnerschaft: so wurden die ersten Generationen der Tragkraftspritze FOX von BMW Boxermotoren angetrieben. Für den CFT wurde bereits 2014 eine spezielle Entwicklungspartnerschaft mit der BMW Group gestartet und der 6 Zylinder PKW-Dieselmotor mit 3 Liter Hubraum und 200 kW Leistung als Range-Extender implementiert. Diesen hoch performanten Motor wollten wir unbedingt auch in die Serienentwicklung übernehmen und konnten mit der BMW Group die Entwicklungskooperation erfolgreich fortsetzen und einen Serienliefervertrag für 6 Zylinder Diesel Motoren aus dem Motorenwerk Steyr abschließen.

Die Energie aus dem Range-Extender treibt zum einen über ein Verteilergetriebe einen Generator aus dem Volvo Baukasten an und ist zum anderen über dasselbe Verteilergetriebe mit der Löschwasserpumpe verbunden. Der Antrieb der Pumpe kann daher wahlweise elektrisch oder mechanisch erfolgen. Für die Entwicklung dieses intelligenten Getriebes haben wir uns für die Firma Rögelberg entschieden, nicht zuletzt wegen der umfassenden Kompetenz und hohen Fertigungstiefe des deutschen Getriebeherstellers.

 

Das Fahrwerk

Doch der stärkste Antrieb nützt nichts, wenn man die Kraft nicht auf die Straße bringt. Wie der CFT wurde bei der Serienentwicklung auf eine Einzelradaufhängung gesetzt. Diese konnte erfolgreich mit unserem langjährigen Lieferanten Kessler umgesetzt werden. Darüber hinaus ist Kessler für die Entwicklung der Differentiale und der Zweiganggetriebe, die sich an jeder Achse befinden, verantwortlich.

Im CFT wurde eine hydropneumatische Federung erprobt. Bei der Serienentwicklung wollten wir dem Kundenwunsch nach der beim CFT dargestellten Niveauregulierung entsprechen, die Technik sollte jedoch einfacher und wartungsfreundlicher sein. Der US-Konzern Hendrickson hatte hier die richtige Lösung für unsere Anforderungen in Form von robusten Pneumatikzylindern, die ein Heben und Senken des Fahrzeuges von 175 mm bis über 350 mm Bodenfreiheit erlauben.

RT Prototyp 1 bei der Fertigstellung im Mai 2020

RT Prototyp 1 bei der Fertigstellung im Mai 2020

Das bis zu 18 Tonnen schwere Fahrzeug muss auch gebremst werden! Obwohl im Fließverkehr die Nutzung der mehrstufig einstellbaren Rekuperation zumeist ausreichend ist, gibt es immer wieder den Moment, wo die Bremsleistung entscheidend ist. Für die Serienfahrzeuge ist Knorr-Bremse mit zukunftsweisenden Technologien (ABS, ESP und ADM) der richtige Entwicklungspartner. Schon bei den ersten Testfahrten waren wir von der hohen und gut dosierbaren Bremsleistung begeistert.

 

Die Elektronik

Um die Anforderungen der Funktionalen Sicherheit laut ISO 26262 zu erfüllen, fiel die Entscheidung auf einen Partner, dessen Elektronikkomponenten entsprechend zertifiziert sind. Diesen haben wir mit TTControl, dem auf mobile Maschinen spezialisierten Hersteller von elektronischen Steuergeräten gefunden, mit dem wir auch die erforderlichen Inhalte für eine erfolgreiche Zertifizierung des Gesamtfahrzeuges nach ISO 26262 umsetzen.

 

Funktionales Design

Neben dem PANTHER, dem AT, ET und dem AVENGER zeichnete moodley auch schon für das Design des CFT verantwortlich. In der Serienentwicklung konnte für die Erfüllung aller Normen und Gesetze eine noch funktionalere Konzeption umgesetzt werden. Dabei war es die Herausforderung, auf keinen der ergonomischen Vorteile des CFT verzichten zu müssen. Im Gegenteil – gerade im Interior Design konnten viele Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge aus dem CFT erfolgreich umgesetzt werden.

 

Wir lassen die Interschutz nicht aus!

Scrum Storypoints Burndown-Chart bei Projektende im Juni 2020

Scrum Storypoints Burndown-Chart bei Projektende im Juni 2020

Die Entwicklungsarbeit und der Bau der ersten Vorserienfahrzeuge liefen auf Hochtouren, als uns COVID-19 im März 2020 einen Strich durch die Rechnung machte: die Interschutz wird verschoben!

Doch für uns war bald klar, dass wir trotzdem mit Volldampf weiterarbeiten. Einzig im vorgezogenen Betriebsurlaub im April 2020 gönnten wir uns eine kurze Verschnaufpause. Unser Ziel war, dass wir trotz Corona rechtzeitig bis zum ursprünglichen Interschutz-Termin fertig sein wollten, um das erste Serienmodell, den RT Prototyp 1, vorzustellen. Nach knapp 3 Jahren Entwicklungszeit und über 2.500 Storypoints hatten wir es gemeinsam mit unseren Entwicklungspartnern geschafft!

Rechtzeitig zum Start der virtuellen Interschutz, am 14. Juni 2020, präsentierten wir den RT im Erlkönig-Design!
Damit startete auch die intensive Testserie der Vorserienfahrzeuge – zuerst die interne Erprobung und später die kundenspezifischen Abnahmetests der Feuerwehren von Berlin, Amsterdam und Dubai – bevor diese Fahrzeuge wie ursprünglich geplant noch vor Ende 2020 in die Realerprobung vor Ort gehen können.

RT Prototyp 1 im Erlkönig Design am 14. Juni 2020

RT Prototyp 1 im Erlkönig Design am 14. Juni 2020

Voll Stolz gebührt dem mittlerweile zwanzigköpfigen Entwicklungs-Team der RED und den Mechanik- und Elektronikspezialisten in der Fertigung der größte Dank für diese herausragende Leistung.

Unser großer Dank gilt natürlich auch allen Entwicklungspartnern, denn jede einzelne Komponente, jedes einzelne Bauteil ist von größter Wichtigkeit, wenn im entscheidenden Moment alles stimmen und die Technik zu 100 % funktionieren muss.